Wiesbaden. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration unterstützt ein vom pro familia Landesverband Hessen e.V. getragenes Projekt zur Verbesserung des Schutzes und der Versorgung von Frauen und Mädchen in Hessen, die von weiblicher Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation - FGM) betroffen oder bedroht sind.
„Wir wollen bereits präventiv Bewusstseins- und Verhaltensänderungen im sozialen Umfeld der Betroffenen ermöglichen und im Falle akuter Gefährdung Schutz bieten sowie im Bedarfsfall eine zügige und fachkundige medizinische oder therapeutische Behandlung sicherstellen“, so Staatsminister Kai Klose. „Hierfür muss das Thema im Berufsalltag der Fortbildungsteilnehmer*innen verankert werden, so dass diese betroffenen Frauen und Mädchen informiert, reflektiert und verantwortungsvoll begegnen können.“
„Ziel des Projektes ist es, städtische und staatliche Stellen, zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Fachkräfte unterschiedlicher Berufsgruppen, die in ihrem Arbeitsalltag bedrohten oder betroffenen Frauen und Mädchen begegnen, ebenso wie Gesundheitspersonal zu schulen und zu vernetzen. Damit leisten wir einen Beitrag zur Verbesserung von Prävention, Intervention und Versorgung für die Betroffenen“, so Prof. Dr. Frank Louwen, Vorstandsvorsitzender der pro familia Hessen.
Durch die Kooperation mit Organisationen, die bereits durch ihre Arbeit eine langjährige Expertise zum Thema FGM erworben haben, wird ein starkes Netzwerk und mehr Transparenz rund um das sensible Thema weiblicher Genitalverstümmelung unterstützt.
Das zweijährige Projekt wird vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration mit jährlich 50.000 Euro gefördert und von der Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Universitätsklinik Frankfurt am Main wissenschaftlich begleitet. Ein soziokultureller Beirat, bestehend aus Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen (NROs) und Community-Vertreter*innen, trägt zur Qualitätssicherung von Fortbildungsinhalten, Methodik und Materialien bei.
Das Projekt basiert auf den Ergebnissen einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten empirischen Studie zur weiblichen Genitalverstümmelung in Deutschland, wonach sich Fachkräfte ein größeres Netzwerk unterstützender Strukturen wünschen, um Betroffene adäquat begleiten zu können. Die Studie zeigt, dass der Erfolg des Engagements zur Überwindung von FGM wesentlich von einer vertrauensvollen, wertschätzenden und kultursensiblen Atmosphäre abhängt, ohne zu dramatisieren oder Betroffene zu stigmatisieren. Sozialen, pädagogischen und medizinischen Fachkräften sowie deren Fortbildung kommt daher eine Schlüsselrolle zu.
Hintergrundinformationen:
Der Bericht des UNHCR „Too much pain. Female Genital Mutilation & Asylum in the European Union, A Statistical Update (August 2018)“ zeigt, dass sich die Anzahl der in der EU asylsuchenden Frauen und Mädchen, die aus FGM-praktizierenden Herkunftsländern stammen, im Vergleich zur Gesamtzahl der weiblichen Asylsuchenden im Zeitraum von 2013 bis 2017 von 19 auf 28 Prozent erhöht hat. Die meisten der im Jahr 2017 in der EU asylsuchenden Frauen und Mädchen stammten dabei aus den FGM-praktizierenden Herkunftsländern Irak, Nigeria, Eritrea, Somalia, Elfenbeinküste und Guinea. Hiervon suchten in 2017 mit Abstand die meisten von FGM betroffenen Frauen und Mädchen in Deutschland Schutz – rund 24.100 Asylsuchende, die hauptsächlich aus dem Irak, Eritrea und Somalia stammten. Weitere Ziele der von FGM Betroffenen waren Italien (14.000), Frankreich (9.100), Griechenland (4.000) und Großbritannien (3.400). Umso wichtiger die Forderung des UNHCR, EU-weit das Bewusstsein für FGM zu stärken, sowie Personen und Behörden (Fallbearbeiter, Dolmetscher, Anwälte, etc.), die mit den Asylsuchenden in Kontakt kommen, entsprechend fortzubilden.