Wiesbaden. Die Hessische Landesregierung hat heute im Rahmen eines Festaktes im Biebricher Schloss in Wiesbaden den Hessischen Integrationspreis 2018 verliehen. Der Bevollmächtigte für Integration und Antidiskriminierung, Staatssekretär Kai Klose, gratulierte den Gewinnern: „Insgesamt sind 95 Bewerbungen mit hervorragenden Projekten bei der Jury eingegangen. Sie alle machen die sichtbar, wie bunt und vielfältig Hessen ist und sie belegen das große Engagement der hessischen Zivilgesellschaft zur Integration von Kindern und Jugendlichen. All diese Initiativen tragen wesentlich zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Sie unterstützen Kinder darin, eine positive Identität zu entwickeln und ihre Zugehörigkeit zur Ankunftsgesellschaft zu stärken“, so Klose. „Auch in diesem Jahr ist es der Jury gelungen, mit ihrer Auswahl das facettenreiche Profil Hessens abzubilden. Gleichzeitig zeigen die vier ausgewählten Preisträger-Projekte, in welch außergewöhnlichem Maße sich die Menschen mit und ohne sog. Migrationshintergrund für die nach Hessen zugewanderte oder geflohene Bevölkerung engagieren.“
Im Mittelpunkt der mit insgesamt 20.000 Euro dotierten Auszeichnung stand in diesem Jahr das Thema „Integration und Kinder“. „Kinder sind Zukunft. Sie sind aber nicht nur ‚künftige Erwachsene‘, sondern als Kinder Teil der Gegenwart. Sie jetzt zu fördern und ihre Kompetenzen zu stärken ist deshalb eines unserer wichtigsten Ziele“, erklärte Kai Klose und ergänzt, dass „Kinder belastbare Wurzeln benötigen, um sich als Teil der Gemeinschaft erfahren zu können. Dies zu fördern bedeutet, die Grundlagen für ein friedliches Miteinander zu schaffen sowie Ängsten, Vorurteilen und Ausgrenzung früh entgegenzuwirken“, so Klose.
Die Landesregierung hat den Hessischen Integrationspreis ins Leben gerufen, um die Herausforderungen und Erfolge von Integration in Hessen sichtbar zu machen und zu stärken. Dabei gilt dem ehrenamtlichen Engagement besondere Aufmerksamkeit. Nach intensiven Beratungen hat die Jury beschlossen, den Hessischen Integrationspreis 2018 an folgende vier Projekte zu verleihen:
1) Mit 8.000 Euro Preisgeld wird das Projekt „Zeit mit Kindern“ der Evangelischen Kirchengemeinde Niedergirmes aus Wetzlar prämiert.
Im Stadtbezirk Niedergirmes der Stadt Wetzlar leben Menschen unterschiedlicher Herkunft sowie in unterschiedlichen sozialen Bezügen. Deswegen hat sich die Evangelische Kirchengemeinde Niedergirmes bereits vor vielen Jahren den Themen Migration, Integration und Armut zugewandt und ein stadtteilorientiertes Gemeindekonzept mit vielfältigen und umfassenden Möglichkeiten entwickelt. Dabei stehen die betroffenen Menschen selbst im Mittelpunkt und werden beteiligt. Bereits in den 1980er Jahren bot die Evangelische Kirchengemeinde Niedergirmes Hausaufgabenhilfe insbesondere für Kinder aus zugewanderten Familien an. Seit 2007 entwickelte sich daraus ein vielfältiges Alltagsprogramm für Kinder unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion – das Projekt „Zeit mit Kindern“. Das Angebot reicht von einem Mittagessen bis zu Hausaufgabenbetreuung in Verbindung mit Spiel- und Kreativzeit. Es wird ergänzt durch eine Kinder-Uni sowie ein Ferienprogramm. Derzeit werden bis zu 50 Kinder zwischen sechs und elf Jahren unterstützt und gefördert. Viele dort Engagierte haben selbst eine Migrationsgeschichte.
Mit „Zeit mit Kindern“ zeichnet die Jury eine herausragende Initiative als Teil eines Gesamtkonzepts aus, das sich über viele Jahre entwickelt hat und von einem hohen ehrenamtlichen Engagement getragen wird. Die Kinder erleben einen vertrauten und vertrauensvollen Ort, an dem sie Kinder sein dürfen. Dabei werden sie von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Herkunftsländern begleitet und unterstützt und können Integration ganz alltäglich erleben.
2) Mit 6.000 Euro Preisgeld wird das Projekt „INTEGRATIONSLOTSEN – ICH BIN VIELE(S)“ der Friedrich-Ebert-Schule in Schwalbach am Taunus prämiert.
Die Friedrich-Ebert-Schule in Schwalbach am Taunus ist eine Integrierte Gesamtschule, an der Anfang des Jahres 2018 ein besonderes Projekt ins Leben gerufen wurde: 35 Schülerinnen und Schüler dieser Schule, die noch nicht lange in Deutschland leben und Integrationsklassen besuchen, erhalten individuelle Unterstützung, um ihnen die Eingliederung in den Schulalltag zu erleichtern und ihren Wechsel in die Regelklassen zu fördern. Sie werden von 18 Schülerinnen und Schülern (7. bis 9. Klasse) begleitet, die zu Integrationslotsinnen und –lotsen ausgebildet wurden. Die jungen Lotsinnen und Lotsen bieten ihnen Orientierungshilfe und sprachliche sowie organisatorische Unterstützung.
Die Jury hat sich für dieses Projekt entschieden, weil es einen besonderen Integrationsansatz verfolgt: Erwachsene Integrationslotsinnen und -lotsen sind inzwischen selbstverständlicher Teil der hessischen Integrationslandschaft geworden. In diesem Projekt engagieren sich Schülerinnen und Schüler nicht nur ehrenamtlich, sondern auch mit einem professionellen Konzept, für die gelingende Integration ihrer Mitschülerinnen und -schüler. Sie sind eng vernetzt mit Eltern und Lehrkräften und tragen so zu einem gelingenden Miteinander an der Schule bei. Damit zeichnet die Jury ein vorbildliches und richtungsweisendes Integrationsprojekt aus.
3) Mit je 3.000 Euro Preisgeld werden für den dritten Platz zwei Projekte prämiert: -„Zuhause ist da, wo Deine Freunde sind“ des TSV Ginnheim, Musiktheatergruppe Ginnheimer Spatzen in Frankfurt am Main
Im TSV Ginnheim 1878 e. V. in Frankfurt am Main wurde im Schuljahr 2011/2012 der Kinderchor „Ginnheimer Spatzen“ gegründet, dem von Anfang an Kinder unterschiedlicher Herkunft angehörten. Im Jahr 2014 kamen viele Kinder hinzu, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland lebten. In Kooperation mit der Katholischen Kirchengemeinde Sankt Franziskus in Frankfurt am Main sowie Studierenden der Hochschule für Musik und dem Hoch`schen Konservatorium entwickelte sich aus der Begeisterung für Musik ein musikalisches Theaterprojekt, an dem derzeit 45 Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 22 Jahren sowie 15 Erwachsene und ihre Angehörigen teilnehmen. Dieses musische Miteinander unterstützt insbesondere zugewanderte Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien dabei, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen, Deutsch zu lernen und Freundschaften zu schließen. Internationalität und Mehrsprachigkeit werden positiv erlebt. Mit der Auszeichnung dieser Initiative möchte die Jury ein besonderes Kulturprojekt würdigen, das bereits seit einigen Jahren besteht und sich stetig weiterentwickelt hat. Seit seiner Entstehung wirken insbesondere Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft, die sich in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen befinden, zusammen. Gemeinsam entwickeln sie künstlerische Projekte und setzen sie um. Dabei werden sie individuell und vielfältig gefördert und entwickeln ein Gefühl für Heimat. Heimat wird international erlebt.
3) Ebenfalls den dritten Platz und 3.000 Euro Preisgeld für „Muslimische Pfadfinder mit dem Internationalen Tag des friedlichen Zusammenlebens“ der Bundeszentrale des Bundes Moslemischer Pfadfinder und Pfadfinderinnen Deutschlands e. V. in Wiesbaden
Der Bund moslemischer Pfadfinder und Pfadfinderinnen Deutschlands e. V. (BMPPD) mit Sitz in Wiesbaden wurde im Jahr 2010 gegründet und steht in der Tradition der international aktiven Pfadfinderbewegung. Ziel war es zunächst, das Pfadfinden auch muslimischen Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 21 Jahren zugänglich zu machen. Mit Unterstützung etablierter Pfadfinderverbände gelang der Aufbau erster Gruppen in Hessen. Darüber hinaus war es dem BMPPD von Anfang an ein großes Anliegen, sich im Rahmen der Pfadfinderbewegung für das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft einzusetzen. Der BMPPD ist Mitinitiator des „Internationalen Tags des friedlichen Zusammenlebens“, der von der UN-Generalversammlung am 08.12.2017 beschlossen und auf den 16. Mai gelegt wurde. Dieser Tag konnte in diesem Jahr gemeinsam mit mehr als 20 Jugendorganisationen in Wiesbaden gefeiert werden.
Die Jury hat sich für diese Initiative entschieden, da sie in mehrfacher Hinsicht beeindruckend ist. Die Pfadfinderbewegung ist eine gewachsene und traditionsreiche Bewegung, die der Förderung und Entwicklung junger Menschen unabhängig von ihrer Nationalität und ihrem Glauben dient. Dennoch ist kaum bekannt, dass es auch muslimische Pfadfinderinnen und Pfadfinder gibt, sie stehen bisher kaum im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Der Bund moslemischer Pfadfinder und Pfadfinderinnen Deutschlands e. V. bietet muslimischen Kindern und Jugendlichen nicht nur zeitgemäße Jugendarbeit an. Vielmehr schafft er durch seine gute Vernetzung sowie sein hohes ehrenamtliches Engagement eine neue Verbindung zwischen Tradition und Moderne. Vorsitzendes Mitglied der Jury ist Staatssekretär Klose. Die weiteren Mitglieder sind derzeit:
Horst Cronauer, ehemaliger Redaktionsleiter, Axel Springer AG Bild Frankfurt; Werner D´Inka, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH; Joachim Frank, DuMont Mediengruppe; Ahmet Külahci, Dogan Media International GmbH; Manfred Krupp, Intendant des Hessischer Rundfunks und Jagoda Marinić, Süddeutsche Zeitung, taz u. a.