Ehrenamtliche Integrationslotsen im Portrait Teil II
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„Es muss eine Lücke zwischen Einheimischen und
Flüchtlingen geschlossen werden.“
Dr. Naim Wardak, Integrationslotse, Stadt Fulda
Dr. Naim Wardak hat in seinem Leben „dreimal bei Null angefangen, ich bin von Kind an migriert“, so leitet er seine Migrationsgeschichte ein. Geboren wurde er in einem Dorf in Afghanistan, welches er mit sieben Jahren verließ und in die Hauptstadt nach Kabul kam, wo er kein Wort verstand und erst einmal die persische Sprache erlernen musste. Mit 18 Jahren wurde er wegen seines Berufes als Vermessungstechniker nach Baku, Aserbaidschan, geschickt: „Ich musste wieder eine Sprache neu erlernen und zum zweiten Mal bei Null anfangen“, beschreibt er den Wechsel in ein anderes Land für das er Russisch erlernte. In St. Peterburg promoviert Naim Wardak und kehrt über jahrelange Aufenthalte in Tadschikistan, Usbekistan und Sibirien als Dozent für Tiefbau nach Kabul zurück. Kurz nach seiner Rückkehr wird die afghanische Hauptstadt Schauplatz des sowjetisch-afghanischen Krieges, „alles explodierte jeden Tag um uns herum“, bemerkt er fast nüchtern. Und ergänzt, dass er zu Besuch an der deutsch-tschechischen Grenze entscheidet, nach Deutschland zu fliehen. Ein Telefonat mit seiner Frau, die damals noch mit seinen drei Kindern in St. Petersburg lebte, gab den Ausschlag. Einen „Dummkopf“ habe sie ihn genannt und entschieden: „Natürlich fliehst Du nach Deutschland, dort ist das Paradies“. Er kommt in Frankfurt bei Verwandten unter und stellt in Schwalbach einen Asylantrag, seine Frau und ihre drei Kinder können ein Jahr später, 1991, einen Asylantrag stellen und nachziehen.
Ein letztes Mal fing er „bei Null an“ und lernte Deutsch.
Für Naim Wardak ist Sprache der Weg zur Integration, zur Teilhabe und auch zum Erfolg. Die meiste Arbeitszeit als Integrationslotse verwendet er auf das Gesundheitssystem. Nicht weil so viele Geflüchtete, denen er hilft, erkranken, sondern weil das System völlig unbekannt ist für Geflüchtete und deswegen erklärt und verstanden werden will. Und so organisiert er Termine bei Ärzten, Fachärzten und in Krankenhäusern, begleitet Geflüchtete und übersetzt ins Russische, ins Afghanische, Arabische oder ins Iranische.
Noch weniger verständlich sei unser Sozialsystem: „Unsere Sozialversicherungen, welche zu Abzügen auf dem Lohnzettel führen, man dafür aber versichert ist, versteht kaum ein Mensch“, was Nadim Wardak laut auflachen lässt.
Besondere Momente erlebt der Integrationslotse auch, weil er rund um die Uhr ansprechbar ist. „Eine Ukrainerin lag mit Krebs in der Frankfurter Uniklinik und rief mich um 1 Uhr nachts an, weil sie solche Schmerzen hatte. Leider konnte sie das aber nicht richtig ausdrücken. Also habe ich mit dem Facharzt gesprochen, der erleichtert war, dass er nun wusste, was zu tun ist“.
Sein Antrieb ist, den Geflüchteten zu helfen, aber noch mehr, „die Menschen fröhlich zu machen“. Wobei seiner Meinung nach „eine Lücke zwischen Einheimischen und Flüchtlingen geschlossen werden sollte“. Und spricht kritisch die Integrationsbereitschaft der Geflüchteten an, „die sich mehr in die Gesellschaft integrieren müssen“, aber auch die deutsche Wohnungspolitik: „Wir können nicht alle in eine Straße verteilen, wir müssen Geflüchtete überall wohnen lassen“.
„Ein Mensch, der Menschlichkeit nicht nur lebt, sondern vorlebt."
„Manchmal sind es die kleinen Dinge, die eine große Wirkung haben – und genau das zeigt die Lotsenarbeit. In einer Zeit, in der Menschlichkeit wichtiger denn je ist, wird hier echte Unterstützung geleistet. Dr. Naim Wardak ist für mich ein Mensch, der Menschlichkeit nicht nur lebt, sondern vorlebt. Punkt.“
Frank Lindenthal, Integrationsbüro Landkreis Fulda
Gut zu wissen!
Die Arbeit der Integrationslotsinnen und -lotsen wird von kommunalen, kirchlichen und gemeinnützigen Projektträgern nach den Bedarfen vor Ort geplant, organisiert und durchgeführt. Das Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales bezuschusst im Rahmen des Landesprogramms WIR Qualifizierungsmaßnahmen und Aufwandsentschädigungen.
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