Vielfaltsfreundin im Interview

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„Wir schaffen spielerisch Begegnungen, die man sonst nicht hat und auf die man vielleicht

auch erst einmal gar nicht kommt“

Agnesa Kolica, Geschäftsführerin von Grow Together, Germany

Die Social-Entrepreneurin sitzt an einem modernen weißen Tisch in einem Eckzimmer der Villa Gründergeist, jemand schaut zur Tür herein, ein kurzes Gespräch entwickelt sich und dann geht es weiter. Alles hier ist entspannt, jeder Mensch wird auf Augenhöhe wahrgenommen. Ja, hier fühlt man sich wie zu Hause und als Teil dieses großen Ganzen.

„Sich interkulturell auszutauschen, stärkt universelle Werte, auf denen die Demokratie fußt“, sagt die Politologin überzeugt. „Dabei dient es immer einem Ziel: Die gesellschaftliche Integration zu stärken, Teilhabe zu ermöglichen und damit Räume für ein Miteinander zu schaffen, wo sich alle wie zu Hause fühlen, wo man sich wohlfühlt.“ Dieser Austausch dürfe unaufgeregt beginnen, ergänzt sie: „Es ist wichtig, diesen geschützten Raum zu haben, in dem man sich austauschen kann und im Vertrauen ist. Gerade Frauen genießen das.“ So entstehen Empathie und Wertschätzung füreinander, miteinander und automatisch wächst etwa zusammen, was es zuvor noch nicht gab.

Zum Auftakt eines Programms können sich alle Frauen online kennenlernen. Die Kommunikation innerhalb der Community läuft über eine App, die Grow together zur Verfügung stellt und die ausschließlich für Mitglieder ist. Dann werden die Tandems gebildet. Bei 60 bis 80 Frauen gibt es demnach 30 bis 40 Tandems.

Die Matches der Tandems werden vorbereitet und mit Bedacht ausgewählt, nämlich „anhand der Angaben, die die Frauen vorher über die Anmeldung angeben. Und es passt immer!“, freut sich die Unternehmensgründerin.

Nach dem Online-Kick-Off und den ersten Tandemtreffen oder Events mit anderen Tandems wird ein Live-Event veranstaltet, bei dem sich alle Teilnehmerinnen treffen. Angeleitet von Agnes Kolica lernen sie sich spielerisch kennen und nähern sich an. Eingebunden werden dabei auch die Vielfalt der Frauen und die bis zu 74 unterschiedlichen Sprachen, die sie sprechen: „Wir erraten den Satz, den sich eine Frau in Ihrer Heimatsprache ausgedacht hat“, erzählt Kolica und beschreibt lebhaft, wieviel Spaß das in eine Runde bringen kann, wie verbindend und bewegend es sein kann, wenn die Muttersprache gesprochen wird: „Manchmal schon beim ersten Wort, werden die Augen feucht, die Frauen müssen weinen – da bleiben nicht viele Augen bei den anderen Frauen trocken“, sagt sie lächelnd, denn es ist kein trauriger Moment, sondern genau das, was in diesem geschützten Raum erlebbar sein soll. Warum die Muttersprache eine solche Traurigkeit hervorholt, kann man nur mutmaßen, aber „vielleicht haben sie lange nicht mehr ihre Muttersprache benutzt oder diese versteckt“ - wie auch Ihre Herkunft und Identität womöglich.

Sechs Monate lang lernen sich die Teilnehmerinnen kennen und tauschen sich aus. Bilden Gruppen, treffen sich privat, entdecken Gemeinsamkeiten und lernen vielleicht sogar die Stadt neu kennen - durch die Augen neuangekommener oder lokaler Frauen. Jede genauso, wie sie es braucht, möchte und gestaltet.

Ist das nicht zu exklusiv? „Nur“ Frauen? „Nö. Gezielt inklusiv“, ist als eine Antwort auf Instagram zu lesen. Kolica beschreibt es so: „Der Ansatz dieses Programms steht nicht im Widerspruch zur Idee, dass alle Menschen Begegnungen brauchen. Vielmehr ergänzt er sie, indem er eine Plattform bietet, auf der Frauen sich sicher und verstanden fühlen, um hier ihre Erfahrungen, ihre Sichtweisen und unterschiedliche Kultur zu teilen. Bestenfalls auch Spaß zu haben, zu quatschen, zu essen und zu tanzen“.

Das Vielfaltsfreundin-Programm wird über das WIR-Landesprogramm des hessischen Integrationsministeriums gefördert. Hier gibt es die Informationen und Kontakte zum Programm.